Pferd, Training, Reha, gesundes Reiten

Trageschwäche und Trageerschöpfung beim Pferd – ein schleichender Weg in die Abwärtsspirale und wie man ihn vermeiden kann
In der Reiterszene sind Begriffe wie Trageschwäche und Trageerschöpfung längst keine Modewörter mehr, sondern Realität in vielen Pferdeställen. Studien, Fachliteratur und die tägliche Praxis bestätigen es:
Ein Großteil unserer Pferde leidet – leise, chronisch und häufig unentdeckt – an Problemen mit dem Trageapparat.
Laut Expertenmeinung betrifft die Thematik geschätzt 70 – 80 % aller Pferde, ob geritten oder nicht. Und nein, das sind nicht nur „die anderen“, sondern auch unser eigenes Pferd könnte betroffen sein – besonders, wenn wir nicht hinsehen wollen oder uns der Blick dafür (noch) fehlt.
Was ist Trageschwäche – und was ist Trageerschöpfung?
Trageschwäche beschreibt eine muskuläre und fasziale Dysbalance, bei der das Pferd nicht (mehr) in der Lage ist, seinen Rumpf aktiv zwischen den Schulterblättern anzuheben und stabil in der Tragkraft zu halten.
Es fehlt an tonischer Spannung in der Rumpftrage- und Aufrichtungsmuskulatur. Die Folge: Der Pferderumpf „hängt“ zwischen den Schultern und sackt ab – denn Pferde haben kein Schlüsselbein. Der Rücken wird passiv durchgebogen und das Reiten wird zur Belastung statt zur Gymnastik.
Trageerschöpfung ist die fortgeschrittene Form dieser Schwäche. Der Körper versucht zu kompensieren, was wiederum neue Probleme schafft: Muskelverspannungen, Schmerzen, Lahmheiten, Lungenprobleme und Co. – ein Teufelskreis beginnt.
Wie kommt es dazu?
Ganz ohne erhobenen Zeigefinger: Trageschwäche ist in der Regel menschengemacht – aber nicht aus böser Absicht. Vielmehr entsteht sie durch eine Kombination mehrerer Faktoren.
Beispielsweise durch frühe, unvorbereitete Belastung junger Pferde ohne entsprechende Grundmuskulatur, die schnell und unter Missachtung der individuellen Bedürfnisse und/oder Gesetze der Biomechanik angeritten oder gearbeitet wurden. Diese Art des Jungpferdetrainings ist leider keine Ausnahme.
Damit einher geht auch im weiteren Trainingsverlauf die fehlende oder mangelhafte Gymnastizierung – insbesondere in Bezug auf das gezielte Schulen von Tragfähigkeit und Selbsthaltung. Deshalb sind besonders auch Freizeitpferde betroffen, mit denen man „nur“ am langen Zügel ausreitet.
Weitere Ursachen können eine schlechte Sattelpassform sein, schlechtsitzende Kopfstücke, Reitfehler, sowie ungünstige Haltungsbedingungen, die zu Bewegungsmangel und Muskelabbau führen. Auch mangelhafte Hufgesundheit spielt eine Rolle, da die Hufe maßgeblich für die stabile Statik des Pferdes verantwortlich sind.
Interdisziplinärer Check: Zusammenhänge mit anderen Krankheitsbildern
Trageschwäche bzw. Trageerschöpfung bleiben selten ein singuläres Problem. Vielmehr sind sie Teil eines komplexen Systems, in dem Schwächen an einer Stelle andere Strukturen mit beeinträchtigen. In Korrelation können stehen z.B. Equines Asthma: Wird der Rumpf nicht aktiv getragen, sackt der Brustkorb ab. Die Lunge kann sich nicht vollständig entfalten. Schlechtere Sauerstoffversorgung, chronische Belastung – Atemwegserkrankungen sind häufig Begleiter.
Sehnen- und Bänderschäden: Fehlbelastungen durch Kompensationsmuster führen über kurz oder lang zu Überlastungsschäden. Die Strukturen arbeiten am Limit.
Prävention: Besser vorbeugen als heilen
Die gute Nachricht ist, dass Trageerschöpfung oft reversibel ist – Prävention ist jedoch der Königsweg.
Untenstehend haben wir Dir eine Liste als Download für den Selbstcheck zusammengestellt, ob Dein Pferd betroffen sein könnte, was du aktiv tun kannst und welche ersten Quicktipps Deinem Liebling helfen.
Gerne schicke noch heute ein Bild Deines Pferdes an uns, das Netzwerk Tiertherapie Mittefranken, und hole Dir so eine erste Einschätzung, ob Dein Pferd aktuell Unterstützung braucht.
Wichtig:
Lass Dich nicht entmutigen! Auch ein trageerschöpftes Pferd kann durch liebevoll-konsequente Reha-Arbeit wieder in die Kraft finden. Denke dabei in Monaten und Jahren – nicht in Tagen. Ihr seid ein Team und gemeinsam könnt ihr das schaffen.
Teamwork makes dreamwork!